Herbst

Aus aktuellem Anlass

Schnittgut, Blattwerk und Stachelfreund

von Hella Perters

Es ist wieder die Zeit des großen Aufräumens in unseren Gartenparzellen: Heute ist der Container für Ast- und Grünschnitt gekommen! Spätestens jetzt werden wir fleißig Hecken, Büsche und Bäume in dekorative Form und angemessene Größe schneiden, die Gemüsebeete abräumen und Blühstauden sauber zurückschneiden; alles in der Hoffnung, die Pflanzen so möglichst gut auf den kommenden Winter vorzu- bereiten. Wenn dann am 18. November die letzte Leerung der Biotonnen für diese Gartensaison ansteht, verschwinden auch die durchaus dekorativen Laubhaufen von unseren Rasenflächen.

Wir alle wünschen uns üppig wachsende Blüh- und Nutzpflanzen, möchten, dass unsere Hecken und Gehölze im Frühjahr einen gesunden Neuaustrieb haben und uns so mit ihrem Anblick und ihren Früchten auch im nächsten Jahr eine Freude machen. Doch die Sache hat einen Haken: Bei all unserem Sinn für Ordnung und Ästhetik vergessen wir schnell, dass es vor allem die nützlichen Tiere in unseren Gärten sind, die Schädliche in Schach halten und so ein gesundes Pflanzen- wachstum fördern.

Hugo versucht schon länger durch Postings in unseren Gruppen bei WhatsApp oder Signal ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wir Stauden lieber erst im Frühjahr zurückschneiden sollten; dass wir Laub und Astwerk im Garten belassen sollten, um nützlichen Insekten wie Wildbienen, Marienkäfer, Florfliegen, Spinnen und Laufkäfern ein Winterquartier zu ermöglichen. Darüber hinaus dienen die trockenen Stängel als schützende Decke bei hartem Frost und Schnee – wenn es solche Wetterereignisse denn im kommenden Winter mal wieder geben wird.

Gestern wurde nun bestätigt, was Viele von uns schon im eigenen Kleingarten beobachten konnten: Ein absoluter Sympathieträger der Gärtner ist in seinem Bestand so stark zurückgegangen, dass die Weltnaturschutzunion IUCN ihn nun auf die „Internationale Roten Liste der gefährdeten Arten“ gestellt hat: Der westeuropäische Igel, auch Braunbrustigel genannt, gilt nun staatenübergreifend als „potenziell gefährdet“. Jedes Kind kennt die Geschichte von dem Igel, der so schlau war, dass er ein Wettrennen mit dem Hasen gewann (auch wenn er dabei definitiv betrogen hat); bei uns daheim stehen mindestens drei Tiergeschichten im Kinderzimmerregal, in dem der Igel eine Hauptrolle spielt. Ich denke, man kann den kleinen Freund, der in der Dämmerung schmatzend, grunzend oder fauchend durch unsere Gärten streift, nicht nicht-mögen.

Trotzdem ist der Gärtner mittlerweile zu seinem größten Feind geworden: Durch dichte Zäune findet er den Weg hinein in unsere Gärten nicht mehr. Sollte es ihm doch gelingen, findet er immer weniger Nahrung in Form von Regenwürmern, Tausendfüßlern, Käfern oder jetzt im Herbst auch Fallobst. Eher weniger bekannt ist, dass er Jungtiere von Spitz- und Wühlmäusen und sogar Maulwürfen bejagt. Es fehlt in unseren Gärten an geeigneten Unterschlupfen, in denen er vor Katzen, Mardern oder Füchsen Zuflucht findet oder die Igelfrau ihren Nachwuchs aufziehen kann. Und als würden die Umstände nicht schon widrig genug sein, erobern nun auch noch mörderische Maschinen unsere Rasenflächen: Mähroboter! Diese erkennen in dem ahnungslosen Stachelfreund nur eine „Unebenheit“, die rotierenden Messer des Mähwerkes schneiden einfach über die Tiere hinweg. Der Igel, dessen Natur ihn bei Gefahr nicht fliehen lässt, sondern der sich zu einer stachelbewehrten Kugel zusammenrollt, hat keine Chance gegen diese elektrifizierten Metzler – die Verletzungen sind schwer. Die meisten Igel überleben einen Zusammenstoß mit Mährobotern nicht oder versterben später an den Folgen der Verletzungen. Ein Schicksal, das er mit anderen Tieren in unseren Gärten teilt, wie z.B. der Erdkröte oder der Blindschleiche.

Die aktuelle Aufräumzeit im herbstlichen Garten bietet jedoch eine Gelegenheit, unserem liebenswerten Igel ein wenig zu helfen und ihn an unseren Garten zu binden, so dass er im kommenden Jahr auch weiterhin als Schädlingsvertilger für uns tätig wird. Wie wäre es, wenn wir nicht das gesamte Schnittgut zu unserem Parkplatz schleppen, um es in dem Astcontainer zu werfen? Wenn wir das gefallene Laub nur auf dem Rasen zusammen- rechen und auf den Beeten, unter der Grenzbepflanzung und im Staudenbeet einfach liegen lassen? Das verrottende Laub ist ein kostenloser Dünger für die Beete und schützt die umgebenen Pflanzen vor Austrocknung und starken Frösten im Winter. Vor allem aber polstert der Igel mit den trockenen Blättern sein Winterquartier aus, welches wir aus  einfachen Materialien wie Kisten, Körben und Steinen und dem übriggelassenen Astschnitt sowie dem zusammengerechten Laubhaufen   für  unseren Gartenfreund gestalten können. Die „Igelburg“ wird an einem ruhigen, wettergeschützten Ort im Garten errichtet und bleibt mindestens bis Ende April das kommenden Jahres stehen. Aber auch darüber hinaus werden die Ast- und Laubhaufen als Zufluchtsort oder Kinderstube genutzt und können daher ganzjährig stehen gelassen werden. Erdkröten oder Blindschleichen, Rotkehlchen und Zaunkönige und zahlreiche nützliche Insekten nutzen die Igelburg ebenfalls als Unter- oder Zwischenmieter. Welche Dinge beim Bau einer Igelburg beachtet werden sollten und was ihr noch für den kleinen Stachelfreund tun könnt, erfahrt Ihr HIER vom Igelzentrum Zürich im Rahmen des Projektes Mission B (B wie Biodiversität :o). Ich habe meiner Tochter versprochen, dieses Jahr in unserer Gartenparzelle ein  Winterquartier für den Stachelfreund zu bauen – leider habe ich ihn seit letztem Sommer nicht mehr in unserer Parzelle angetroffen. Damals stand mein altes Gartenpförtchen lange Zeit offen – vielleicht fühlte er sich diesen Sommer durch ein neues Gartenpförtchen nicht mehr eingeladen. Es hilft wohl nichts, ich werde meinem Maschendrahtzaun zu Leibe rücken und ihn an mehreren Stellen auf igelgerechte Höhe von ca. 12 cm anheben oder ein paar Löcher schneiden – Einer hat ja immer den Schaden, aber bitte nicht unser liebster Gartenfreund – der Igel.

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